Geschichtliches zur Gemeinde und zur Dorfkirche Alt-Wittenau
Von den Anfängen bis zur Reformation
Sie ist nicht nur das älteste erhaltene Gebäude Wittenaus, sondern zugleich auch seit über 500 Jahren das Zentrum des gemeindlichen Lebens in Wittenau, das über die längste Zeit Dalldorf hieß und erst 1905 in Wittenau umbenannt wurde. Wann sie erbaut wurde, können auch die Historiker nur schätzen, denn urkundliche Belege gibt es darüber nicht, vermutet wird aber, dass sie im Zeitraum von 1482 bis 1491 errichtet wurde. Als ziemlich gesichert gilt auch, dass es schon einen Vorgängerbau gab, eine einfache Fachwerkkirche, die den früheren Dorfbewohnern seit etwa 1230 für ihre Gottesdienste diente und erbaut wurde, nachdem unter den Markgrafen von Brandenburg Siedler aus den westelbischen Gebieten in unsere Region gekommen waren.. Die erste urkundliche Erwähnung Dalldorfs datiert ins Jahr 1322. Vermutlich ist die alte Holzkirche abgebrannt und man hat sich dann entschlossen, an ihrer Stelle mitten im Dorfanger einen massiven Bau aus Feldsteinmauerwerk zu errichten.
Die sogenannten Feldsteine mussten bei der Anlegung der Ackerflächen ohnehin aus dem Boden entfernt werden und waren so ein einfach nutzbares Baumaterial. Ein Hinweis auf den Zeitpunkt der Errichtung der Dorfkirche bietet die älteste der vier Kirchenglocken, auf der sich die Jahreszahl 1484 findet.
Aus der Zeit der Erbauung der Dorfkirche dürften auch die drei Holzfiguren stammen, die heute an der südlichen Seitenwand angebracht sind. Sie gehörten zum mittelalterlichen Flügelaltar, der bei einem Umbau im 18. Jahrhundert aus der Kirche entfernt wurde. Dargestellt sind Anna (die Mutter Marias), Maria (die Mutter Jesu) und Nikolaus von Myra (der frühere Schutzpatron der Dorfkirche). Diese drei Figuren wurden nach dem Abbau des Flügelaltars auf dem Kirchenboden gelagert, wo sie etwa hundert Jahre unbeachtet liegen blieben, um erst bei einer weiteren Umgestaltung der Kirche wiederentdeckt zu werden. Verloren gegangen sind in jener Zeit zwei weitere Altarfiguren, die vermutlich den Apostel Thomas und die Märtyrerin Katharina darstellten. Klar erkennbar wird aus der Gestaltung der Holzfiguren, dass es sich um vorrefomatorische Kunstwerke handelt. Wann sich die Reformation in Dalldorf durchsetzte, lässt sich ebenfalls nicht genau belegen.
Eine Visitationstafel aus dem Jahr 1540, die im Zusammenhang mit einer neuen kurfürst-lichen Kirchenordnung steht, beinhaltet aber den Namen des damaligen Pfarrers von Dalldorf, Benedikt Kurpen, der als einziger Pfarrer der Region auch die Kirchen von Hermsdorf, Lübars und Tegel zu versorgen hatte.
18. und 19. Jahrhundert
Wenn man unsere Dorfkirche vom Eichborndamm kommend betrachtet, fallen einem am Ostgiebel drei Fensternischen ins Auge, die zugemauert sind. Wahrscheinlich ist dies im Rahmen der Umgestaltung des Innenraums im Jahr 1779 geschehen. Bei diesem Umbau erhielt der Kanzelaltar seinen jetzigen Platz, so dass die bis dahin geöffneten Fenster im Ostgiebel ohnehin verdeckt gewesen wären. Vermutlich ist damals auch die Empore einge-baut worden. Von da an konnten auf der Empore die Gottesdienstbesucher einen Platz finden, für die auf den Kirchenbänken kein festgelegter Platz existierte. Denn bis zu jenen Zeiten war es üblich, dass die Dorfbewohner ihre eigenen markierten Plätze in der Dorfkirche hatten.
Ein wenig umstritten ist die Frage, wann die Wittenauer Dorfkirche ihren Turm erhalten hat. So haben Historiker vermutet, dass es sich bei dem Bau ursprünglich um eine Hallenkirche ohne Turm gehandelt habe. Bei der Altersbestimmung der Holzbalken des Turmes im Zusammenhang der Restaurierung in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts konnte aber festgestellt werden, dass diese Balken aus dem 15. Jahrhundert stammen, sodass davon auszugehen ist, dass der jetzige Kirchbau von vornherein einen Turm hatte. Dieser Turm ist nach seiner Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg Ende des 18.Jahrhunderts wieder aufgebaut worden und erhielt dann auch wieder seine bis heute erhaltene Spitze mit Knauf, Windfahne und Stern. Fünfzig Jahre später (1830) bekamen die sechs Fenster ihre heutige Form und Größe.
Einer der Pfarrer in jenen Jahren war Ferdinand Krabbes (1757-1828). Er stammte aus Wulfersdorf und hatte das Gymnasium und die Universität in Halle besucht. In seine Amtszeit in Dalldorf fiel die Besatzung durch die fanzösischen Truppen unter Napoleon.
Im Dalldorfer Pfarrhaus waren vom November 1806 bis Dezember 1808 französische Soldaten einquartiert, die Pfarrer Krabbe zu verpflegen hatte.
Dalldorf wächst
Im Jahr 1805 wohnten in Dalldorf 176 Menschen in 18 beheizbaren Wohngebäuden. Mit der preußischen Agrarreform von 1816 begann die Veränderung von einem noch mittelalterlich strukturierten Dorf zu einer ländlichen Vorortgemeinde der sich rasant entwickelnden und ausdehnenden Stadt Berlin. Von 1827 - 1831 wurde in Dalldorf eine Flurbereinigung durchgeführt, durch die jeder Landbesitzer anstelle seiner verteilten Äcker neue zusammenhängende Ackerflächen erhielt.
Klaus Schlickeiser schreibt dazu in seiner Chronik des Bezirkes Reinickendorf: „ Diese Neuverteilung des Landes, verbunden mit dem Erwerb des unbeschränkten Eigentumsrechts an den Höfen und Ländereien, hatte zur Folge, dass die bisherige Flurverfassung mit der Dreifelderwirtschaft und der gemeinsamen Viehhütung beendet wurde und damit auch die rechtlichen und wirtschaftlichen Bindungen innerhalb der Dorfgemeinschaft wegfielen. Stattdessen war nun jeder Landeigentümer selbständig wirtschaftender Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs und durfte künftig ohne Abstimmung mit den übrigen Landbesitzern nach eigenem Gutdünken entscheiden, was er auf seinem Acker anbaute.“
1838 wurde die Strelitzer Chaussee (heute Oranienburger Straße) als Lehmchausee befestigt, 1842 die Roedernallee ausgebaut. Damit wurde die Verbindung nach Berlin deutlich verbessert, so dass die Bauern ihre Ernteerträge auf die Märkte der Stadt bringen konnten. Noch einmal Schlickeiser:“Auch in Dalldorf hielten die Bauern in ihren Ställen nun eine beträchtliche Anzahl Kühe, weil sich Milch und Milchprodukte in Berlin günstig verkaufen ließen. Mit dem jetzt in größerer Menge anfallenden Kuhdung, zu dem noch der von Grubenfuhrunternehmern auf die Felder gebrachte Inhalt der Berliner Kloakengruben kam, konnten die Bauern das Land düngen und statt des anspruchsloseren Getreides nun Gemüse anbauen, das sie ebenfalls an die Stadt lieferten. Auf diese Weise gelangten die Bauern zu Geld und konnten ihre strohgedeckten Fachwerkhäuser und Wirtschaftsgebäude durch massive, mit Ziegeln gedeckte Wohnhäuser, Ställe und Scheunen ersetzen.“ 1826 wurde Johann Gottlob Horn von der Königlichen Regierung zum Pfarrer in Dalldorf bestimmt. Erst am Neujahrstag 1828 hielt er dort auch seine erste Predigt. Er blieb bis zum November 1861 Pfarrer der Parochie.
(Text: Volker Lübke, Foto: agw)